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Strafen und Belobigen

Strafen dienten der Abschreckung und waren Hauptbestandteil der Erziehung. Am häufigsten wurde Zwangssport verhängt, als Gruppen- wie als Einzelstrafe. Übungen, wie über die Sturmbahn laufen, im „Entengang“ oder mit Gewichten beschwert Hofrunden drehen, im Laufschritt eine Schubkarre, beladen mit einer schweren Bahnschwelle, fahren oder im Hausflur die Treppe auf und ab laufen, waren alltäglich. Gefürchtet war auch der „Torgauer Dreier“ bestehend aus Liegestütz, Hocke und Hockstrecksprung, der bei jedem Wetter, auch bei strömendem Regen oder brütender Hitze, bis zur totalen Erschöpfung ausgeführt werden musste. Auch Reinigungsarbeiten als Strafmaßnahme entsprachen militärischen Mustern. Dazu zählte das Scheuern der Flure mit Kernseife oder Scheuersand. Als Schikane kam es vor, dass eine ganze Gruppe mit schmutzigen Schuhen durch den Flur laufen musste und die Reinigung zu wiederholen war.

Die gefürchteste Strafe war Arrest, der bis zu 12 Tagen dauern konnte. Er wurde bei Entweichung, Fluchtversuchen, Arbeitsverweigerung, Missachtung der Hausordnung und Nichtbefolgung von erzieherischen Anweisungen verhängt. Aber auch drei Verwarnungen, die für Kleinigkeiten ausgesprochen wurden, führten zu Arrest.
Im schulischen Bereich wurden vor allem Kleinstrafen verhängt, wie das Schreiben seitenlanger Aufsätze zu Themen wie „Der Schnürsenkel (Wie ich meinen Schnürsenkel auf und zu mache)“ oder „Warum ich nicht genau weiß, wer die Zeitung zerrissen hat“. Auch das hundertmalige Abschreiben von Sätzen wie „In der Nachtruhe hat man zu schlafen und nicht zu quatschen“ zählte dazu.

Offiziell war es den Erziehern untersagt, die Jugendlichen zu schlagen. Im Erzieherzimmer lagerten allerdings Schlagstöcke, die ausdrücklich nur in Notwehr verwendet werden durften. „Kopfnüsse“ und Schläge mit dem Schlüsselbund gehörten zu den üblichen Handgreiflichkeiten der Erzieher. Es kam auch vor, dass besonders widerspenstige Jugendliche mit Handschellen an eines der Flurgitter angekettet wurden.

Dagegen nahmen sich die Möglichkeiten der Belobigung bescheiden aus. Die Auszeichnung „Wochenbeste Gruppe“ hatte eine vorübergehende Verminderung des Anpassungsdrucks zur Folge. Für das dreimalige Erringen dieser Auszeichnung gab es für das Kollektiv 30 Mark der DDR, wovon meist eine Torte gekauft wurde. Denunziationen wurden mit begehrten Freizeitvergünstigungen belohnt. „Vorbildliches Verhalten“ konnte zu einer Verkürzung des Aufenthalts von zwei oder drei Wochen führen.

Arrestzelle

Bestrafung durch Arrest gehörte zum Alltag im Geschlossenen Jugendwerkhof. Die “Arrestordnung” verbot Singen und Pfeifen, Lesen, aus dem Fenster sehen und jegliche Unterhaltung mit anderen Jugendlichen. Beim Öffnen der Zelle hatte der Jugendliche strammzustehen und Meldung zu machen. Die Pritsche durfte tagsüber nicht benutzt werden, der Kübel hatte rechts neben der Tür, der Hocker in der Mitte der Arrestzelle zu stehen. Verstöße wurden mit Arrestverlängerung bestraft. Verschärfend konnte Dunkelarrest angeordnet werden.
Die Dunkelarrestzellen befanden sich im Keller und unterschieden sich von den üblichen Zellen dadurch, dass sie kleiner und niedriger waren. Die Lichtschächte konnten mit Sandsäcken abgedeckt werden. Unabhängig voneinander berichteten ehemalige Insassen von einem “Fuchsbau”, machten aber unterschiedliche Angaben, wo er sich befand.
“Im ,Fuchsbau’ war ich 24 Stunden. […] Ein kleiner, dunkler Raum, man verliert darin jegliche Art von Zeitgefühl, selbst wenn es bloß 24 Stunden sind. Man weiß weder wo links, rechts, vorn, hinten, oben, unten ist. Man hat bloß noch einen Gedanken: raus aus dem Ding. […] Es war so eine starke seelische Belastung, dass ich dann wirklich erst mal drei Tage auf dem Krankenzimmer lag, weil ich echt nicht mehr wusste, wer ich überhaupt bin.”
(René K., 1987 vier Monate im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau.)
Die Überprüfung anhand seiner Sonderakte ergab, dass René K. zum angegebenen Zeitpunkt im Arrest war. Die Eintragung ist mit dem Vermerk “Leerzelle” versehen.

Arrestzelle um 1990
Vergittertes Treppenhaus um 1978, Quelle: Archiv DIZ Torgau