Über uns

HENRIETTE B.

Henriette B.; geb. am 3. November 1955 in Neuenkirchen bei Münster; Jugendwohnheim Forst; 1973 einen Monat im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau; „… muß gezwungen werden, sich ein- und unterzuordnen.“

„Ich kann mich erinnern, dass das Auto durch dieses große Tor auf einen Vorhof fuhr. Gleich links war der Hauseingang und dort nahm man mich in Empfang.“

 

Man nahm mir dann meine Klamotten ab. Dann kam ich in einen Raum, in dem ich 12 Tage allein war. Was mich geknickt und gebrochen hat, war, dass man mir die Haare abgeschnitten hat. Als der die Schere ansetzte und dann auch noch das Rasiermesser, da wusste ich, damit haben sie mich still gekriegt.“

 

Ich kam in die Gruppe. Ein Bett in dem gemeinsamen Schlafsaal wurde mir zugewiesen. Es bekam einfach alles einen Automatismus. Ich war da drin und musste mit. Da gab es einen Plan und nach dem musste marschiert werden. Zur Arbeit, zum Frühstück, zum Sport, zum Duschen. Und abends das gleiche wieder rückwärts.“

 

Das einzige, was ich gelernt habe, war, dass man durch einen Eingriff in die Persönlichkeit eines Menschen eine ganze Menge anrichten kann. Ich meine den Eingriff, das Äußere eines Menschen ohne sein Einverständnis zu verändern. Das hat mich all die Jahre begleitet und das ist auch etwas, was ich nicht vergessen habe und was ich auch anderen Menschen nie im Leben antun würde, ohne ihr Einverständnis: sie verändern wollen.“

SPRECHEN IST BESSER ALS LESEN

In der DDR sind etwa 500.000 Kinder und Jugendliche in Heimeinrichtungen untergebracht, 135.000 von ihnen in Umerziehungsheimen für sogenannte „Schwererziehbare“. Von 1964 bis 1989 mussten 4.046 Jugendliche den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau durchlaufen. Das Leben ehemaliger DDR-Heimkinder wird massiv durch die Erfahrungen in den Einrichtungen der Jugendhilfe geprägt. In Zeitzeugengesprächen berichten Betroffene der repressiven Heimerziehung über ihre Zeit in den Heimen und den Folgen für ihren Lebensweg.