Über uns

»WERT DER FREIHEIT«

– ein spartenübergreifendes kulturelles Bildungsprojekt

Gefördert durch den Kulturraum Leipziger Raum

Laufzeit: März 2017 bis Dezember 2018

Am 17. August 2019 wurde der Sächsische Preis für Kulturelle Bildung vergeben. Für unser kulturelles Bildungsprojekt “Wert der Freiheit”, welches wir in Kooperation mit BAFF-Theater Delitzsch und dem Schweizerhaus Püchau veranstaltet haben, erhielten wir den Sonderpreis. Der Preis wird vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gemeinsam mit dem Landesverband Soziokultur Sachsen ausgelobt. Die Jury befand: “Das spartenübergreifende kulturelle Bildungsprojekt wirkt nicht nur aufklärend und vermittelnd, es macht auch deutlich – und das ist der besondere Wert dieses Kooperationsprojektes – von welch unschätzbarem Wert es ist, in einer Demokratie zu leben, die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte garantiert.”
Wir freuen uns über die Würdigung der Bildungsarbeit und den Preis, welcher besonders für die beteiligten ZeitzeugInnen und engagierten Jugendlichen Anerkennung und Motivation ist.

Darstellung des Projektes

Im Herbst 2016 entstand die Projektidee Schüler*innen die Möglichkeit der eigenständigen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema »Freiheit« zu geben. Ausgangspunkt sollte die Rezeption eines Theaterstückes und der Besuch der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau sein. Zur Entwicklung und für die Umsetzung entstand eine Kooperation mit dem BAFF Theater Delitzsch e.V. und dem Schweizerhaus Püchau e.V.

1. SENSIBILISIEREN UND DISKUTIEREN


»KLASSENZIMMERTHEATER: Durst nach Meer«


Bei dem Konzept »Theater im Klassenzimmer« des BAFF Theater Delitzsch e.V., unter Leitung von Jana Bauke, kommen die Schüler nicht ins Theater, das Theater kommt zu den Schülern! Gespielt wird ein Stück zu brisanten, sozialkritischen Themen. Die Inszenierung ist auf die besondere soziale und räumliche Situation im Unterrichtsraum zugeschnitten. Für das kulturelle Bildungsprojekt entstand aus Zeitzeugendokumenten der Gedenkstätte GJWH Torgau sowie den niedergeschriebenen Eindrücken und Gedanken jugendlicher Besucher von der Autorin Ulrike Zeitz ein Theaterstück für das Klassenzimmer zum Thema »Wert der Freiheit« mit dem Titel »Durst nach Meer«. Das Stück wurde von der Autorin mit Berufsschüler*innen der Theaterakademie Sachsen inszeniert und konnte ab Oktober 2017 aufgeführt werden.


»Durst nach Meer« spielt im fiktiven Artland – einem riesigen Schiff, in dem jeder »Bewohner« eine zugewiesene Rolle ausübt. Demjenigen, der »schön artig« ist und die Regeln befolgt, öffnet sich die Karriereleiter. Doch dem, der die Regeln hinterfragt, drohen Konsequenzen. Es zeigt, was ein Regime Menschen anderen Menschen antun lässt und welche Spannungen sich auch innerhalb von Familien ergeben. Durch das Theaterstück werden staatliche Repressionen in einem autoritären System nachvollziehbar.


Für die Umsetzung der Aufführung gab es verschiedene Möglichkeiten. So konnte die Aufführung direkt in Verbindung mit dem Besuch von Schulklassen in der Gedenkstätte GJWH Torgau stattfinden oder auch im Klassenzimmer der jeweiligen Schule – die Auseinandersetzung mit dem Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau im Erziehungssystem der DDR konnte davor bzw. danach erfolgen.
Nach der Aufführung des Theaterstücks kamen die jungen Schauspieler*innen mit den Schüler*innen über ihre Eindrücke des Gesehenen ins Gespräch. In der sich anschließenden Gesprächsrunde diskutierten die Schüler*innen eigene Wertevorstellungen aber beispielsweise auch die Frage, ob die Flucht aus einem solchen System eine Lösung sein kann oder ein solch »abgeschottetes« System trotz der Einschränkungen individueller Freiheiten für die Allgemeinheit ein Sicherheitsgewinn ist.

2. AUFKLÄREN UND ERINNERN


»ERZIEHUNG HINTER GITTERN: Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau«


Das festgeschriebene Erziehungsziel in der DDR war die Herausbildung »sozialistischer Persönlichkeiten«. Unangepasste und verhaltensauffällige Jugendliche galten schnell als schwererziehbar und konnten in sogenannte Spezialheime zur Umerziehung eingewiesen werden. Endstation in diesem System war der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau. Eine ausbruchssichere Verwahrung, ein bis auf die Minute durchorganisierter Tagesablauf in Kolonne und Laufschritt, das Fehlen jeglicher Privat- und Intimsphäre sowie Zwangssport bis zur totalen Erschöpfung sollte die vollkommene Unterordnung der Jugendlichen herstellen. Die gesamte Methodik war darauf ausgerichtet, die Persönlichkeit junger Menschen innerhalb weniger Monate bewusst zu brechen.


Bei dem Gedenkstättenbesuch begaben sich die Schüler*innen auf Spurensuche: Was waren Gründe für die Einweisung nach Torgau? Wie gestaltete sich der Alltag für die Jugendlichen in dieser DDR-Heimeinrichtung? Nach einer multimedialen Einführung mit Rundgang durch die Dauerausstellung und Besuch des Gedenk- und Erinnerungsbereichs, konnten sich die Jugendlichen Lebenswege von Betroffenen (ehemaligen DDR-Heimkindern) anhand zeitgeschichtlicher Dokumente selbständig erschließen. Ergänzend dazu dienten Methoden der Oral History und moderierte Zeitzeugengespräche der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen und Folgen der »Umerziehung« für die Betroffenen.

3. REFLEXION UND VERANKERUNG


»MEDIEN- UND KUNSTPROJEKT: Mein Wert der Freiheit«


Aufführung und Gedenkstättenbesuch konnten zudem Ausgangspunkt sein, um einen künstlerischen Prozess in Gang zu setzen, in dem sich die Schüler*innen bildnerisch gestaltend mit ihrer ganz persönlichen Deutung des Wertes »Freiheit« auseinandersetzen. Im Rahmen des Projektes bestand die Möglichkit, mit Unterstützung der Kulturschaffenden Martina Jacobi und Leonore Kasper des Kooperationspartners Schweizerhaus Püchau e.V., einen künstlerischen Prozess bei den Schüler*innen anzuleiten.


Die Jugendlichen konnten auf Leinwand ihren »Wert der Freiheit« festhalten: »In welchen Farben schimmert die Freiheit? Welche Form sie wohl hat? Was verändert sich, wenn Freiheit fehlt? Wie sieht die Freiheit für dich aus? Was würdest du für sie tun?«. Sie waren aufgefordert, ihre Gefühle mit Mitteln der Kunst darzustellen. Die Gedanken und Eindrücke der Jugendlichen wurden außerdem in Ton und Bild festgehalten. Aus den Aufnahmen ist der Film »Mein Wert der Freiheit« entstanden und aus einer Auswahl von »Freiheitsbildern« entstand zum Abschluss des Projekts ein großes Wandbild, welches am historischen Ort der Gedenkstätte installiert wurde. Durch die künstlerische Arbeit im Projekt sind die Schüler*innen selbst Teil der Geschichte und konnten sich vor der Thematik reflektieren.

Das Ergebnis


In 2017 und 2018 fanden 44 Aufführungen des Klassenzimmertheaters statt. Die Lehrer*innen und Schüler*innen gaben sehr viel positives Feedback. Das Theaterstück diente an den Schulen erfolgreich als »Türöffner«, sich mit der Umerziehungspraxis in der DDR und der Geschichte des Geschlossenen Jugendwerkhofs Torgau auseinanderzusetzen. Sowohl die Diskussionen im Anschluss über das Gesehene als auch die künstlerische Vertiefung vergegenwärtigte den Schülern die Bedeutung von Freiheit und Demokratie.


Insgesamt erreichten wir mit dem Projekt ca. 1.200 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 20 Jahren. Schüler*innen aus Sachsen sowie Gastschüler*innen aus Frankreich und Schweden besuchten die Gedenkstätte, konnten u.a. auch mit Zeitzeugen sprechen und in einen intensiven gemeinsamen Austausch kommen, der für die Jugendlichen sehr beeindruckend war. Ein Jugendlicher sagte in der Abschlussrunde: »Ich hatte ja eigentlich gar keine Lust auf sowas, aber das war echt gut und ich muss das jetzt bestimmt alles meinem Vater erzählen. Das mach ich auch – das muss man wissen!«
Im Laufe des Projekts sind über 150 »Freiheitsbilder« entstanden, aber auch 80 Ton-/Filmaufnahmen und jede/s ist anders! Zum 20-jährigen Jubiläum der Gedenkstätte im November 2018 wurden das Wandbild, welches die persönliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung von »Freiheit« zahlreicher Jugendlicher widerspiegelt, und der Film gemeinsam mit am Projekt beteiligten Schüler*innen und Lehrer*innen erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Unser Fazit

Gemeinsam mit Jugendlichen haben wir uns gefragt: Wie fühlt sich Freiheit an? Wo fängt sie an und wo hört sie auf? Verliert Freiheit an Wert, wenn man frei ist? Durch den Bezug zur Geschichte des Geschlossenen Jugendwerkhofs Torgau haben wir alle den Freiheitsbegriff neu verhandeln können und Antworten gefunden, die immer aktuell bleiben. Wir konnten mit vielen offenen und hochinteressierten jungen Menschen zusammen arbeiten, in Austausch kommen und erfahren, was denn heute »der Wert der Freiheit« bedeuten kann. Die Jugendlichen haben uns an ihren Gedanken und Wünschen teilhaben lassen, haben auf die Inhalte der Gedenkstätte direkten Bezug genommen und sie mit ihrer eigenen Lebenswirklichkeit abgeglichen. Besonders war für uns, dass sie sehr ernsthaft und in keinster Weise oberflächlich mit Gehörten, dem Gesehenen und der Frage nach dem »Jetzt« und »Wie geht es weiter?« umgegangen sind. Das hat uns sehr beeindruckt!

Projektbeteiligte


Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau
Fischerdörfchen 15, 04860 Torgau
Tel: 03421 714203
m.rummel@jugendwerkhof-torgau.de
www.jugendwerkhof-torgau.de


Ansprechpartnerin:
Manuela Rummel, wiss. Referentin (Leitung Bildung, Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit)



BAFF Theater Delitzsch e.V.
Anna-Zammert-Straße 1, 04509 Delitzsch
Tel: 034202 36070
info@baff-theater.com
www.baff-theater.de
Ansprechpartnerin:
Jana Bauke, Leiterin

Schweizerhaus Püchau e.V.
Dögnitzer Straße 7, 04828 Machern OT Püchau
Tel: 03425 851056
info@schweizerhaus-puechau.de
www.schweizerhaus-puechau.jimdo.com


Ansprechpartnerinnen:
Martina Jacobi, geschäftsführender Vorstand
Leonore Kasper, künstlerischer Leitung Film

Diese Maßnahme wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.